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„Mein Seufzen ist dir nicht verborgen“ – Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorge um Männer Predigt zu Ps 38,10 im Kontext eines Diakoniepraktikums im Studiengang Ev. Theologie von Pascal Liebert Liebe Gemeinde, im Seniorenheim treffe ich auf einen älteren Herren. Er fährt im Rollstuhl im Gang hin und her. Er wirkt ruhelos, blickt suchend herum. Aus dem Team weiß ich: Er war früher Bauleiter, ist nun hochgradig dement. Ich spreche ihn an: „Suchen Sie jemanden?“ Natürlich sucht er seine Truppe. Er fragt mich, ob ich auch dazu gehören würde. Die Trockenmauer müsse noch fertig werden. Er wolle es ordnen. Er kann es aber nicht ordnen. Heute nicht und morgen auch nicht. Von seiner Kolonne ist keiner da. Er seufzt laut, schüttelt mit dem Kopf. Dann fährt er weiter. Später wird er erneut seine Leute suchen. Er ist in Sorge, dass nichts fertig wird. Dass ein Mann wie ein jeder Mensch ins Suchen kommt, das werden die Wenigsten bestreiten. Am Anfang unseres Lebens suchen wir die Nähe, in der Mitte das Erfüllende, zum Ende dann unseren Frieden und wieder die Nähe. Wir wollen uns einen Halt geben. Hier eignet sich die Arbeit gut. Wir bekommen „etwas zu tun“. Unser Leben erfüllt sich scheinbar in eifriger Beschäftigung. Ein Landwirt arbeitet 7 Tage in der Woche. An einem lauen Sommerabend ist er gerade mit dem Heupressen fertig. Er blickt in die Ferne über seine Fluren. Auf dem Feld und auf den Wiesen kehrt Stille ein. Ein tiefes Seufzen kommt aus ihm heraus. Hat er Sorgen? Was unterscheidet den Bauleiter vom Landwirt? Der Bauleiter seufzt, weil ihm etwas verloren gegangen ist. Die Struktur, die ihn täglich getragen hatte, wo alles nach Plan lief und an die er sich halten konnte, hält nun nicht mehr Stand. Es ist keine Kolonne da. Was will ein Bauleiter ohne Kolonne? Wozu ist er dann noch „der Bauleiter“? Es wird still um ihn. Wer sorgt für ihn? Der Landwirt aber will mit seinem Seufzen ein Wohlbehagen ausdrücken. Er sieht, was er geschaffen hatte: Es war sehr gut. Biblisch. Nah an der Schöpfung ist er dran. Er hat zu Hause seine Kinder und die Frau. Oft ist es laut auf dem Hof. Der Traktor rattert, ein Kind schreit, der Hund bellt. Auf seiner Wiese ist er nun einmal ganz für sich. Auch um ihn ist es nun still. „Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen“, so heißt es im Psalm. Wir können auch sagen: „Herr, du kennst meine Bedrängnis. Du weißt, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ (Mt 6,34) „Herr, du kennst meine Bedrängnis, aber du erkennst mein Seufzen.“ Gott erkennt mein Seufzen. Er erkennt es als ein Seufzen am Ende eines arbeitsreichen Tages, aber er erkennt es auch als ein Seufzen am Ende eines arbeitsreichen Lebens. Wie viel ist geworden! Heute und im ganzen Leben. Das Seufzen des Bauleiters im Seniorenheim wird Gott hören. Er weiß, dass er immer laut war, cholerisch, aufbrausend, fordernd. Und er weiß, dass er jetzt gerade wütend ist. Nach außen. Er weiß aber auch, dass er verzweifelt ist. Im Inneren. Gott spürt seine Verwundbarkeit. „Mein Herz erbebt, meine Kraft hat mich verlassen“ (Ps 38,11), heißt es im nächsten Vers des Psalms. Er wird ihm eine Stütze sein. Er lässt ihn nicht allein, wird mit ihm zu Ende bauen. Er hört die Sehnsucht. Ja, er versteht das Seufzen. Die Kraft hat ihn verlassen. Er will noch weiter bauen, Gott spricht zu ihm: „Es ist gut. Hab Frieden. Gib diese Steine aus der Hand. Wir bauen woanders weiter.“ Und dann er wird zur Ruhe kommen. Gott sorgt für ihn. Der Landwirt war immer ein ruhiger Mensch. In sich gekehrt; im Einklang mit der Natur. Er ist fromm und geht, wenn nicht gerade Ernte ist, immer sonntags in seine kleine Dorfkirche. Er hat sich selten gestritten. Um ihn ist es immer laut. Er belächelt den Trubel nur, lebt für sich still. Gott kommt auch zu ihm. Auf der Heuwiese wird er auch das andere Seufzen erkennen. Der Arbeitstag hat ihn müde gemacht. Aber er seufzt zufrieden. „Was habe ich doch heute wieder alles mit deiner Hilfe gemeistert!“ Am nächsten Tag schenkt Gott ihm wieder neue Kraft. „Es ist noch nicht genug. Ich helfe dir. Pack an!“ Er soll ruhen. Aber nur für die Nacht. Gott ist mit ihm. Er hat noch viele Jahre. In diesen wird ihm Gott tragen helfen; für ihn sorgen. Am Ende wird er auch zu dem Landwirt sagen: „Hab Frieden. Es ist gut.“ Aber jetzt spornt er ihn an: Er kann laufen, ist gesund. Er wird am nächsten Morgen fröhlich an sein Tagwerk gehen. Keine Schmerzen haben. Am Sonntag wird er dafür danken, des Abends auch. Das ist ihm wichtig. „Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen“ Der Bauleiter will offenbar noch weiter, aber sein Seufzen verlangt Ruhe nach einem unruhigen Leben. Der Landwirt sagt sich „Es ist nun genug. Ich bin zufrieden“, aber sein Seufzen verlangt nur neue Kraft für den nächsten Tag. Beides wird Gott den Männern geben. Der eine, der den Frieden sucht, der wird ihn bei Gott finden. Der andere hat seinen Frieden schon bei Gott gefunden und wird diesen behalten. Unterschiedlich sind sie gestartet im Leben, die Pfade waren schmal und wenige sind mit ihnen dort entlang gegangen. Viel Bedrängnis hat beide Männer offenbar begleitet. Aber Gott, der HERR, der sieht das Verborgene: Viel geschafft und doch unruhig. Viel geleistet, aber noch nicht fertig. „Unter Strom“, aber müde. Erschöpft, aber nicht am Ende. „Herr, du kennst all mein Begehren“ - Wir können auch sagen: „HERR, dir kann ich nichts vormachen.“ Wenn ich entkräftet wirke, so will ich doch leben. Wenn ich mich stark gebe, so bin ich doch am Ende meiner Kräfte. Und wenn ich seufze, dann weißt du, wie es in mir aussieht. „Mein Seufzen ist dir nicht verborgen.“ Lasst uns mit dieser Gewissheit Ruhe finden bei Gott. Ich gehe meinen Weg. Gott geht mit. Bis zum Schluss. Ich bin der Vater, der Arbeiter, der Ehemann, der Opa, das Vorbild, der Chef. Bei Gott bin ich der Seufzer. Der Seufzer, für den es genug ist und der, der morgen noch weiter macht. Wir können seufzen. Unsere Nächsten werden es nicht immer verstehen. Gott aber weiß, wie es gemeint ist. Amen.